Am 14. September 2017 mit Erscheinen des ersten Tipps des Monats aus dieser Serie war es genau ein Jahr her, dass ich mir beim Rückwärtssalto auf meinem Trampolin buchstäblich den Hals gebrochen habe. Der 14. September wurde zu meinem zweiten Geburtstag.

Nur Bruchteile von Millimetern lagen an dem Tag zwischen Tod und Leben, zwischen einem „normalem“ und dem Leben eines Rollstuhlfahrers, zwischen selbstbestimmtem Leben und ewiger Abhängigkeit, zwischen beruflichem Erfolg und Erwerbsunfähigkeit.

In der Zeit, in der ich bewegungsunfähig, dann bewegungseingeschränkt in der Spezialklinik lag, habe ich über viele Dinge nachgedacht, an die ich sonst keinen Gedanken verschwendet habe. Ich hatte viel Zeit und die Chance, die Welt, mein Leben, mich selbst und mein Tun einmal „vom Balkon“ aus zu betrachten. Der Balkon schafft etwas Distanz und den Blick von oben auf die Dinge. Aus der neuen Perspektive sah auf einmal alles anders aus, ungewohnt, jedoch auch übersichtlicher und klarer.

Ich hatte Ihnen meine Big Five des Erfolges“ benannt, die ich für alle meine Erfolge im Leben und meine Genesung verantwortlich mache. Das sind:

  1. Disziplin
  2. Durchhaltevermögen
  3. Selbstvertrauen
  4. Demut
  5. Anpassungsfähigkeit

Im vorangegangenen Tipp des Monats habe ich Ihnen beschrieben, warum Selbstvertrauen für den Erfolg unverzichtbar ist.

Heute möchte ich Ihnen gerne erläutern, was Demut mit Erfolg zu tun hat.

Lesen Sie nun hier meine originalen Aufzeichnungen, die ich im letzten Drittel meines Klinikaufenthaltes niederschreiben konnte.

Ihr Ralph Guttenberger

Unterschrift Ralph Guttenberger


Vierter meiner Big Five, die Demut:

Was ist Demut?

Wenn Sie nach einer Erklärung des Wortes suchen, werden Sie auf folgendes Stoßen:

Demut ist die Bereitschaft, etwas als Gegebenheit hinzunehmen, nicht darüber zu klagen und sich selbst als eher unwichtig zu betrachten.

Ist das nicht ein Widerspruch zu dem, was ich unlängst über Selbstvertrauen geschrieben habe?

Nein, natürlich nicht. An der Stelle, an der ich über die eigenen Grenzen gesprochen habe, wird es klar, wofür es Demut braucht. Wir erinnern uns. Selbstvertrauen ist:  „Ich weiß um meine Leistungsfähigkeit und Möglichkeiten und werde meine Ziele in dem Rahmen erreichen.“  Das heißt, ich muss die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit und meiner vorhandenen Ressourcen kennen und diese auch annehmen oder pathetisch gesagt: „in Demut hinnehmen“. In meinem Leben habe ich festgestellt, dass Menschen, denen alle Schwierigkeiten abgenommen werden, die niemals an ihre Grenzen gehen oder, die niemals Niederlagen hinnehmen mussten, wenig Demut zeigen. Das ist keine Charakterschwäche, das ist einfach das Fehlen dieser Erfahrung. Deshalb helfen Ihnen Niederlagen, Scheitern, an die Grenzen kommen. So entwickelt sich in uns Demut. Ohne Demut kein dauerhafter Erfolg.

Wo habe ich Demut erfahren? Es war nicht beim Überschallflug in der Stratosphäre, nicht bei einer extremen Bergbesteigung, bei keiner großen Herausforderung, die mich an meine Grenzen geführt hat. Es war meine Diagnose Halswirbelbruch mit inkompletter Querschnittslähmung. Ich konnte meine Beine, die Arme und Hände nur noch eingeschränkt bewegen. Totalausfall meiner Arbeitskraft, meiner Person im gesellschaftlichen Umfeld?

Ganz am Anfang kam bei mir die Frage auf, warum das seien musste, warum ist mir das passiert? Warum hatte ich das Pech? Ich habe beschlossen, solche Gedanken gar nicht erst aufkommen zu lassen. Glück oder Pech ist immer eine Frage der Sichtweise. Ich konnte meinen Unfall als ein großes Pech und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit sehen. Dann hätte ich mit meinem Schicksal gehadert, wäre immer unzufriedener geworden. Denn das Unglück ist mir wiederfahren. Es waren sozusagen äußere Umstände, für die ich nichts konnte, die mich in diese unglückliche Lage gebracht hatten. Warum wurde mir das angetan? Wenn ich so denke, bin ich Opfer. Ich kann am Schicksal nichts ändern. Ich komme mir machtlos, perspektivlos vor. Warum immer ich?

Diese und ähnliche Gedanken haben mich in den schlaflosen Stunden in der Nacht, bei Unbeweglichkeit und starken Schmerzen heimgesucht. Sie waren penetrant und unerbittlich. Sie waren wie ein Strudel, der mich unaufhaltsam nach unten zog.

Mein Krankenhausaufenthalt und die Kontakte mit vielen Menschen mit einem ganz besonderen, harten Schicksal haben mich Demut gelehrt, Demut vor dem Leben. Sie haben mich demütig erkennen lassen, wie wenig selbstverständlich die Gesundheit ist, wie wenig selbstverständlich es ist, laufen zu können, zugreifen zu können, auf die Toilette gehen, mit Messer und Gabel essen, die Tasse zum Mund führen zu können. All das konnte ich von einer Minute auf die andere nicht mehr. Auf einmal waren die Grenzen der eigenen Möglichkeiten ganz eng gesteckt.

Das alles in Demut hinnehmen und eine andere Sichtweise auf mich und meine Möglichkeiten einzunehmen,  konnte mir helfen, konnte mich aus dem emotionalen Abwärtsstrudel ziehen.

Die besseren Fragen in der Situation waren somit:

  • Was kann ich trotz des Unfalls und seiner Folgen immer noch im Leben tun?
  • Was kann ich immer noch erreichen?
  • Welche zusätzlichen unschätzbaren Erfahrungen mache ich gerade, die mich für die Zukunft noch stärker machen?
  • Welche Stärken zeichnen mich immer noch oder grade jetzt aus?
  • Was wird mir durch meine jetzige Situation bewusst?
  • Was sollte ich für die und in der Zukunft ändern?

Ich habe hier eine andere Sichtweise auf materielle Dinge und Status auf der einen Seite und menschliche Nähe, gegenseitige Unterstützung und Hilfe auf der anderen Seite gewonnen. Ich kann heute viele „Probleme“ mit mehr Abstand sehen, sie einfach hinnehmen. Der berühmte Mediator und Verhandlungsführer William Ury beschreibt das mit dem Bild: Auf dem Balkon stehen und auf sich und sein Leben blicken. Emotionale Distanz gewinnen. Ich bin mir sicher, dass mir das zukünftig besser gelingt.

Ich habe Demut erfahren müssen und habe so die Chance, die einfachen Selbstverständlichkeiten des Lebens schätzen zu lernen, mehr Gelassenheit und Souveränität im Leben zu gewinnen und dadurch meinen nahen Mitmenschen das Leben mit mir erträglicher und sie damit glücklicher zu machen. Diese neuen Fähigkeiten werden auch unschätzbaren Wert für meine Beratertätigkeit und das Coaching von Führungspersonen haben. Das ist ein Nutzen für andere und letztlich damit für mich. Ich habe so die Chance, für mein zukünftiges Leben dazu zu gewinnen.

Mir kommen die Worte von Winston Churchill in den Sinn: „Der Pessimist sieht Schwierigkeiten in jeder Gelegenheit, der Optimist sieht Gelegenheiten in jeder Schwierigkeit.“

Das Seminar zum Thema

Zitat des Monats

Der Pessimist sieht Schwierigkeiten in jeder Gelegenheit, der Optimist sieht Gelegenheiten in jeder Schwierigkeit.
Winston Churchill

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kaltenbach Training möchte Ihnen den bestmöglichen Service bieten. Dazu speichern wir Informationen über Ihren Besuch in sogenannten Cookies. Durch die Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um Ihnen das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung Ihrer Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Schließen