Am 14. September mit Erscheinen des ersten Tipps des Monats aus dieser Serie war es genau ein Jahr her, dass ich mir beim Rückwärtssalto auf meinem Trampolin buchstäblich den Hals gebrochen habe. Der 14. September wurde zu meinem zweiten Geburtstag.

Nur Bruchteile von Millimetern lagen an dem Tag zwischen Tod und Leben, zwischen einem „normalem“ und dem Leben eines Rollstuhlfahrers, zwischen selbstbestimmtem Leben und ewiger Abhängigkeit, zwischen beruflichem Erfolg und Erwerbsunfähigkeit.

In der Zeit, in der ich bewegungsunfähig, dann bewegungseingeschränkt in der Spezialklinik lag, habe ich über viele Dinge nachgedacht, an die ich sonst keinen Gedanken verschwendet habe. Ich hatte viel Zeit und die Chance, die Welt, mein Leben, mich selbst und mein Tun einmal „vom Balkon“ aus zu betrachten. Der Balkon schafft etwas Distanz und den Blick von oben auf die Dinge. Aus der neuen Perspektive sah auf einmal alles anders aus, ungewohnt, jedoch auch übersichtlicher und klarer.

Im vorangegangenen Tipp des Monats konnten Sie lesen, worin ich die Ursachen für „Erfolg“ sehe. Sie liegen im Menschen selbst.

„Erfolg“ ist das Ergebnis, welches auf eine bestimmte Einstellung und eine Handlungsweise „erfolgt“.

Ich hatte Ihnen meine Big Five des Erfolges“ benannt. Das sind:

  1. Disziplin
  2. Durchhaltevermögen
  3. Selbstvertrauen
  4. Demut
  5. Anpassungsfähigkeit

Heute möchte ich Ihnen gerne erläutern, warum gerade Disziplin mein erster Erfolgsfaktor geworden ist.

Ihr Ralph Guttenberger

Unterschrift Ralph Guttenberger


 

Der Erste meiner Big Five, die Disziplin

Warum ist Disziplin so wichtig? Ist das nicht ein Wert der Vergangenheit? Sprechen wir heute nicht eher davon, dass Spaß, Leichtigkeit und Spontanität im Vordergrund der Arbeit stehen sollen?

Ich glaube,  darin liegt kein Widerspruch. Veranschaulichen wir uns das an einer Reihe von Beispielen. Als Kampfjetpilot wurde ich vom ersten Tag an zur überlegten Handlungsweise, zur genauen Abarbeitung von Aktivitäten nach einem vorgezeigten Handlungsschema erzogen. Warum, ist wohl jedem klar. Der Pilot kann nicht unvorbereitet ein Flugzeug starten, welches sechs Tonnen Waffenlast trägt. Er muss das Flugzeug sicher starten, fliegen und landen. Er muss die Bedienelemente der Systeme des Flugzeuges in exakter Reihenfolge betätigen, genau an den richtigen Stellen die Waffen scharf schalten und punktgenau einsetzen, die Grenzparameter des Fluges kompromisslos einhalten, damit eine solche komplexe Maschine, wie ein bewaffnetes Kampfflugzeug auch so funktioniert, wie es soll und das tut, was es soll. Für jede Minute eines solchen Fluges gibt es vorgefertigte Handlungsalgorithmen in Form von Checklisten oder eingeprägt im Kopf des Piloten. All das fordert ein sehr diszipliniertes Handeln. Nichts darf dem Zufall überlassen werden. Leider musste ich in meinen Jahren als Pilot oft miterleben, wenn eine kleine Nachlässigkeit eine kleine Abweichung von den Vorgaben zur Katastrophe und zum Verlust von geliebten und geachteten Kameraden geführt hat.

Oft habe ich mich gefragt, ob man das dann Disziplinlosigkeit nennen kann? Der Pilot war an der Stelle einfach überfordert. Oft kommen eine unübersichtliche Fluglage, starke Überbelastung (G-Kräfte) in den Kurven, akustische Signale von den Überwachungssystemen, Kommandos von der Leitstelle, das Scharfschalten der Waffenanlage in einem Moment zusammen. Dann ist da noch der Ehrgeiz, die Aufgabe zu erfüllen und etwas näher an das Ziel auf der Erde zu gehen. Dazu hatte der Pilot schlecht geschlafen, war nicht 100% fit. Da kann man schon mal die Situation verkennen und die Unterschreitung der Mindesthöhe für den Bruchteil einer Sekunde übersehen. Die Folge war eine Bodenberührung beim Ausleiten des Sturzfluges mit Waffeneinsatz auf Erdziele. Das ist Militärdeutsch und heißt übersetzt, der Pilot hat zu spät den Sturzflug ausgeleitet und ist mit ca. 1.000 km/h auf der Erde aufgeschlagen.

Was ist da disziplinlos? Wo war da das menschliche Versagen, von dem der Auswertebericht der Luftfahrtexperten spricht? Ist der kleine Versager nicht allzu menschlich? Nein, musste ich mir dann gestehen. Disziplinlosigkeit beim Kampfjetpiloten fängt an, wenn er in der Flugvorbereitung die Zeit für das Studium der besonderen Fälle (Handlungen in Notsituationen) nicht nutzt. Es passiert ja ganz selten so eine Notsituation. Warum also diese lästigen Wiederholungen. Weiter geht es, wenn er nicht alle Ausbildungsstunden gewissenhaft wahrnimmt, auch die Sportausbildung. Disziplinlosigkeit  geht weiter, wenn der Pilot die Routinen des bevorstehenden Fluges nicht so lange im Geist durchgeht, bis er weiß, dass er sie „im Schlaf“ beherrscht. Sie geht weiter, wenn am Vorabend des Fluges doch mal ein Bier getrunken wird, wenn nicht ausreichend geschlafen wird. Sie geht weiter, wenn er sich nicht 100% fit fühlt und den Flug trotzdem durchführt, und so weiter.

Ein Kampfjet verzeiht ganz wenige Fehler und Konzentrationsschwächen. Dem Kampfjet ist es auch egal, wer ihn fliegt, ein General oder Soldat, ein Familienvater oder ein Single, ein kranker oder ein gesunder Mann. Wenn der, der ihn fliegt Fehler macht, fällt er auf die Erde, denn er ist schwerer als Luft und die Newtonschen Gesetze gelten auch für ihn. Deshalb ist das disziplinierte Einhalten aller Vorschriften für einen Kampfjetpiloten überlebenswichtig.

Das Gleiche gilt in ähnlicher Weise für Lokführer, LKW-Fahrer, Fluglotsen, Fahrdienstleiter der Bahn und andere Berufsgruppen. Das gilt auch für meinen Krankenhausaufenthalt. Ich kann hier auch die Therapien über mich ergehen lassen und am Nachmittag und an den Wochenenden im Bett liegen bleiben und Fernsehen schauen oder mit anderen Patienten neudeutsch „abhängen“. Ich kann mir jedoch auch von den Therapeuten empfehlen lassen, was ich in meiner freien Zeit hier tun kann, um schneller wieder fit zu werden, um meine verlorenen Fähigkeiten und Fertigkeiten wieder zu erlangen. Ich kann mir dann einen Plan machen, wie ich meine Zeit hier dafür maximal nutzen kann und führe diesen Plan dann diszipliniert durch. Das Planen fordert noch keine Disziplin. Diese benötige ich erst dann, wenn es schwer wird, wenn ich Schmerzen habe, wenn das ewige Wiederholen der immer gleichen Übungen langweilig wird, wenn mich jemand anspricht und mir ein Gespräch, Abwechslung, Zerstreuung anbietet. Dann brauche ich diese innere, zur Gewohnheit gewordene Disziplin wie die Luft zum Atmen. Diese Disziplin benötige ich auch dann, wenn ich einmal entschieden habe, das Training auszusetzen, weil mir etwas anderes wichtiger war, weil ich einfach mal eine Auszeit brauchte. Dann benötige ich sie, um bei nächster Gelegenheit weiter zu machen und keine Entschuldigungen zu suchen, die mich in meiner Komfortzone verbleiben lassen. Sie lässt mich dann aufstehen und mich immer wieder selbst quälen.

An dieser Stelle möchte ich auch auf die vielen Leute verweisen, die es überhaupt erst möglich machen, dass der Pilot seinen Kampfjet starten kann. Das ist Teamarbeit der Superlative. Die Techniker, die Logistiker, die Flugleitung, alle arbeiten konzentriert und diszipliniert, damit der Pilot seine Aufgabe überhaupt erfüllen kann und sicher zurückkehrt. Jede Aktivität aller Beteiligten ist auf die Sekunde genau abgestimmt. Jede „Disziplinlosigkeit“ dieser Leute, jeder kleine Fehler, jede noch so kleine Verzögerung kann katastrophale Folgen haben.

Auf das Hier und Jetzt bezogen ist auch eine Genesung eines Patienten eine gewaltige Teamarbeit. Da sind natürlich an erster Stelle die Ärzte mit ihrem Know-how und Ihren Erfahrungen, die Pfleger mit ihren Fähigkeiten und Ihrer Zuwendung den Patienten gegenüber. Da sind auch die Reinigungskräfte, die alles gewissenhaft sauber und keimfrei halten und immer ein nettes Wort für uns haben. Da sind all die vielen Menschen, die ein solches Unternehmen „Krankenhaus“ überhaupt erst möglich und funktionierend machen.

Ein weiteres Beispiel: Ein Bergsteiger möchte einen Achttausender besteigen. Dafür ist es notwendig, dass er sich zielgerichtet auf diese Megabelastung für Körper und Geist vorbereitet. Neben dem Beherrschen der Klettertechniken, das Bewegen auf Gletschern, der Handhabung der Ausrüstung, der Rettung aus Gletscherspalten muss er über eine hervorragende körperliche Konstitution verfügen. Das bedarf nicht selten einer jahrelangen disziplinierten Vorbereitung. Viele Annehmlichkeiten des Lebens werden diszipliniert dem Trainingsplan untergeordnet.

Das trifft auch zu, wenn Menschen einen Marathon laufen wollen. Das gilt für alle Leistungssportler. Die Erreichung anspruchsvoller Ziele fordert einen starken Willen zur disziplinierten Einhaltung von Regeln, Abläufen und Trainingszeiten. Es fordert viel Disziplin, mich hier im Krankenhaus täglich zu quälen, auch wenn alles in mir dagegen rebelliert.

Zitat des Monats

Disziplin ist die Brücke zwischen Zielen und ihrer Verwirklichung.
Jim Rohn

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